Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e.V.
Deutsche Gesellschaft für
Tropenmedizin, Reisemedizin
und Globale Gesundheit e.V.
 
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Wir haben Kolleginnen und Kollegen in den Tropen aus unserem die Welt umspannenden globalen Netzwerk gebeten, uns ihre Einschätzungen von vor Ort zu geben. Diese finden Sie nachfolgend abgedruckt.

Südafrika

Kapstadt wurde neulich als New York City von Afrika bezeichnet. Vermutlich wegen des regen Tourismus ist die Stadt nahe der Südspitze Afrikas derzeit das am meisten von COVID-19 betroffene Gebiet in ganz Afrika, Mehrere „founder events" mit Ursprung in europäischen Ländern sind bekannt. Der südafrikanische „Lockdown", der ab dem 26. März bis Ende April die weltweit wohl umfassendsten Einschränkungen verhängte, konnte das Übergreifen von den zunächst betroffenen relativ wohlhabenden auf ärmere Bevölkerungsgruppen nicht verhindern. Es kam zu mehreren, teilweise erheblichen Ausbrüchen in „essential workplaces", die trotz Lockdown den Betrieb aufrechterhalten mussten. Insbesondere das Konzept der häuslichen Quarantäne und Isolierung ist illusorisch, wenn ganze Großfamilien sich ein bescheidenes Häuschen oder gar einen „Shack" teilen, von eigenen Sanitärbereichen ganz zu schweigen. Zum Glück ist Südafrika, oder zumindest die nicht allzu sehr durch Korruption und Inkompetenz betroffenen Bereiche, recht gut auf Notfälle eingestellt: Seit Mitte März läuft unser Labor auf vollen Touren, mit 24/7-Schicht-System, etlichen neu angeschafften Geräten und einer massiven Ausweitung der SARS-CoV-2 Testung. Enttäuschend ist es, dass wir nach wie vor mit erheblichen Engpässen beim Nachschub von Testkits sowohl für weitgehend automatisierte Systeme als auch für molekulare Schnelltests zu kämpfen haben. Wir können das mithilfe qualifizierten Personals weitgehend kompensieren, doch in weniger gut aufgestellten afrikanischen Ländern wirft dies kaum lösbare Probleme auf.

Prof. Dr. Wolfgang Preiser, Virologe in Kapstadt

 

Tansania

Leben und Arbeiten im Ungewissen! Tansania geht seinen ganz eigenen Weg während der Corona-Virus-Pandemie: kein Lockdown, keine Nennung von Fallzahlen und die Durchführung von möglichst wenig Testen, die alle nur im nationalen Gesundheitslabor ausgewertet werden dürfen. Das macht das Arbeiten im Krankenhaus derzeit besonders schwierig, denn wie schützt man seine kleinen Patienten, deren Eltern und die Mitarbeiter am besten vor einer Ansteckung, wenn man die aktuelle Lage insgesamt kaum einschätzen kann? Trotz allem geht es uns bisher insgesamt gut und wir wahren die leise Hoffnung, dass die ganz große Katastrophe ausbleiben wird und die junge Bevölkerung des Landes gegenüber dem Virus ausreichend widerstandsfähig ist.

Dr. Antke Züchner, Neonatologin in Dar-es-Salaam

 

Indien

Corona calls for caring! We are in 5th lock out in India.This lock out is more in Red zone area like Mumbai, Pune Chennai, Delhi and many big cities. I speak more about Maharashtra as it is more infected then other states and also the situation in India. The infection came from abroad when Indians return to their home places and nobody was aware of it. In initial stage nobody took it serious. The first case was found in Kerala. Now many infected cases are going to their home place from Red zone so every village in India have corona virus cases. The local people are safe and very well follow the instruction. It is urban who are more infected. The infection in many places because of overcrowded and no out let for the people. The people are asked to move from 7am to 7pm, and then there is curfew. If we do not follow the instruction then there is fine taken from person. Regularly, pesticide are put, cleanliness is done. The schools are still closed and there is discussion to open the senior classes with lots of rules and regulation. The covid 19 is increasing very rapidly, every day about 4000 cases and 300 deaths. Many police and the nurses are infected. Most of the people are from abroad and Maharashtra who have come back to their home place. We are continuously instructing the people to remain safe. Since there is no place for quarantine, now home quarantine has started. At present we have over 15,500 deaths in India. Many patients who have died are senior and have other complications. Many nurses and police are infected and special arrangements are made to treat them.

Sr. Jema Rodriguez, Krankenschwester in Shirampur

 

Venezuela

Initially, it was believed that the pandemic would not arrive into Venezuela due to its international isolation, early quarantine measures and the immobility of the population due to the lack of gasoline. Up to date several factors complicate the situation: An internationally declared complex humanitarian crisis, which affects among many other things the essential supplies in hospitals and homes; the late and incomplete institutional response from the country's health authorities throughout these months; the continuous flow of Venezuelans returning to the country, unable to stay in the places they currently live; the urgent need for citizens to acquire provisions on a daily basis, due to their limited purchasing capacity and storage of supplies; the immense queues to fill up on what little gasoline there is. We are reaching a critical mass of citizens and health personnel detected as suspicious and ill, which allows us to assume that the situation is getting out of hand. This in a few days can translate into a critical scenario due to the difficulty of properly tracing the chain of contacts and the immense deterioration of the country's hospital services.

Prof. Dr. Alicia Ponte-Sucre, Parasitologin in Caracas

 

Paraguay

Paraguay hat bereits Anfang März Kontrollen und Quarantäne für Reisende aus dem Ausland angeordnet und generelle Quarantäne ab 11. März. Durch diese schnellen und strikten Maßnahmen sehen die offiziellen Zahlen bezüglich COVID-19 günstiger aus als in den Nachbarländern: ca. 1942 Fälle, davon 882 aktiv, 1045 Gesundgewordene, 15 Tote (27. Juni). Weder im Chaco, noch unter Indígenas sind derzeit Fälle registriert. Da die meisten Indígenafamilien eine monatliche finanzielle Unterstützung der Regierung unterhalten, sowie mit der Schulnahrung (jetzt als Lebensmittelpakete, die in einigen Provinzen trotz nicht stattfindendem Präsenzunterricht weiterläuft – aber eben nur für Schüler), ist zumindest die Grundernährung weitgehend gesichert. Kritischer ist die Situation in Dörfern, in denen die meisten von Gelegenheitsarbeiten abhängig sind. Eine Schwierigkeit ist, dass viele Indígenas sich nicht von der Ernsthaftigkeit des Virus überzeugen lassen und damit auch die Bestimmungen nicht einhalten; viele meinen, es handle sich um „ein Problem der Weißen“... Daher versuchen wir, in nun erlaubten Kleingruppen Aufklärungsarbeit zu leisten und auf den Anordnungen zu bestehen (Hygienemaßnahmen etc). Aber – wie sollen sie die Hände waschen, wenn totaler Wassermangel herrscht? Oder „sozialen Abstand“ halten, wenn in jedem Häuschen mehrere Familien auf kleinstem Raum zusammenleben?

Miguel Fritz, Missionar im Chaco

 

Argentinien

In Argentina, preventive and compulsory social isolation policies were adopted early, which allowed flattening the virus spread curve and thus avoid the collapse of the health system. Currently, almost all of the country has gone to phase 4, with numerous activities allowed adopting and respecting strict prevention protocols. However, in the Buenos Aires Metropolitan Area it is difficult to contain the virus spread rate and it was necessary to return to mandatory isolation (phase 1). In Misiones province, which borders Brazil and Paraguay, in addition to respecting national measures, the total closure of borders was carried out, since the situation reported mainly in Brazil is not favorable. It should also be noted that, at the same time, northern Argentina suffers from an endemic, caused by the Dengue virus, which is why the provincial authorities took advantage of reinforcing its prevention measures. The possible clinical evolution of patients with concomitant viral infection (coronavirus and dengue) is unknown. Unfortunately, the provincial and national economic difficulties have become even more evident; however, prioritizing the health of the population is mandatory.

Prof. Ana María Teresita Foth, Rektorin und Prof. Gerardo Moreno, Dekan in Posadas

 

Demokratische Republik Kongo

Corona hat Bukavu befallen, viele Menschen haben sich infiziert und sind von der Krankheit betroffen. Aufgrund der Schwäche des Gesundheitssystems konnten nur wenige Patienten diagnostiziert werden. Wir sind jedoch in der Lage, schwerkranke Patienten zu versorgen. Aber wir wollen, dass das Gesundheitssystem als Folge dieser Epidemie gestärkt wird. Während die Welt auf Corona konzentriert ist, erleben wir immer noch viel Gewalt, insbesondere sexuelle Gewalt gegen Frauen. Der Kampf für Gerechtigkeit und Frauenrechte in der Demokratischen Republik Kongo muss fortgesetzt werden. Drei Monate lang trug ich bei der medizinischen Koordination der Corona-Virus-Reaktion in Süd-Kivu zur Umsetzung der Corona-Virus- Strategie in unserer Provinz bei. Nun, da die Teams einsatzbereit sind, habe ich mein Eintreten für mehr Gerechtigkeit und Frieden in unserem Land wieder aufgenommen.

Dr. Denis Mukwege, Friedensnobelpreisträger 2018

“Ihr redet von Corona. Wir erleben hier wie jeden Tag neue Menschen aus Djugu, der Region, wo gerade schlimmste Gewalt geschieht, Menschen vertrieben werden. Manchmal wissen wir nicht mehr aus noch ein. Die Welt schaut weg, während hier die Hoffnung langsam stirbt.“ Rose Mumbere mit ihrem Team von MUSACA hat in den letzten Jahren ein Notfallprogramm für vertriebene Binnenflüchtlinge in Bunia aufgebaut. Sie geht in die Lager um Schwanger und Kinder zu versorgen und hat 2 Jahre lang wegen Ebola aufgeklärt und insbesondere Maßnahmen zu Handhygiene eingeführt. Eine Ebolaausbruch konnte verhindert werden. „Nun redet Ihr von Corona“, sagt sie mir. „die ersten Fälle sind hier bestätigt, aber was uns viel mehr Not macht, sind die vielen traumatisierten Menschen, die Schwierigkeiten sie mit sauberem Wasser zu versorgen. Eigentlich brauchten wir viel mehr Mittel. Wir werden uns weiter um Aufklärung und Hygiene bemühen, aber was wir brauchen, ist Frieden und ein Ende der Gewalt. Die Welt schaut auf Corona, während hier unendliches Leid geschieht.“ Vor einem Jahr hat Gisela Schneider die Region besucht. Dabei konnten wir uns in und um Bunia relativ frei bewegen. Inzwischen tritt die Gewalt auch am Stadtrand von Bunia und auch in der Stadt auf. Die Menschen leben auf engstem Raum zusammen, „social distancing“ kann hier niemand praktizieren und bei einem Coronaausbruch wird das schon jetzt oft überforderte Gesundheitssystem kaum reagieren können. Das Difäm unterstützt die kirchlichen Gesundheitseinrichtungen, um eine Basisversorgung aufrecht zu erhalten. Menschen wie Rose Mumbere leisten eine unglaubliche Arbeit – und lassen sich trotz allem nicht entmutigen.

Rose Mumbere und Dr. Gisela Schneider, Difäm

 

Gabun

Wie der Großteil der frankophonen Länder Afrikas hat sich auch Gabun sehr früh mit der Pandemie beschäftigt und Labormitarbeiter wurde schon Anfang Februar vom Institut Pasteur in Dakar in der Diagnostik von SARS-CoV-2 ausgebildet. Maßnahmen wie Reisebeschränkungen und Schulschließungen wurden bereits im März parallel zu denen in Europa durchgeführt, noch bevor die ersten Fälle im Land aufgetreten sind. Es scheint, dass– trotz allen Schwächen im Gesundheitssystem – weitgehend den Empfehlungen von WHO und CDC Afrika gefolgt wird. Das Testen von Verdachtsfällen und Kontakten funktioniert mittlerweile recht gut, das Tracing von Kontaktpersonen aber deutlicher schlechter. Die Isolierung von Fällen wird dagegen kaum ernsthaft versucht. Am Forschungszentrum CERMEL (www. cermel.org) in Lambaréné haben wir den deutlichen Anstieg der Fälle direkt mitbekommen, da wir bis Juni nur eines von 2 Diagnostikzentren im gesamten Land waren. Daher mussten wir sehr schnell unsere Labortätigkeit fast zur Gänze auf die Diagnostik von SARS-CoV-2 umstellen. Obwohl das Land eine Reihe von prominenten Todesfällen durch COVID zu beklagen hat, hört man weder von überfüllten Intensivstationen noch von überwältigten Bestattungsunternehmen. Die Sorgen um Kollateralschäden durch die Vernachlässigung anderer Krankheiten während der Pandemie sind jedoch zweifellos berechtigt. Jetzt, Mitte Juli scheinen die Anzahl neuer Fälle etwas zurückzugehen und der Fokus wird auf die Rücknahme der Reisebeschränkungen gelegt – zu einem Zeitpunkt bei dem die Übertragung noch recht hoch ist.

Prof. Dr. Bertrand Lell, CERMEL, Lambaréné, Gabun

 

Äthiopien

Äthiopien hat wie die meisten Länder Afrikas zeitig auf die sich entwickelnde Pandemie reagiert und umfassende nicht-pharmazeutische Maßnahmen implementiert, die das öffentliche Leben paralysierten. Über das gut ausgestattete Nationale Institut für öffentliche Gesundheit (EPHI), wurde ein Regional Laboratory Capacity Building Program initiiert, dem wir uns sofort anschlossen. Etwa 3,5 Millionen Menschen leben in der hügeligen, landwirtschaftlich geprägten Gegend rund um die Stadt Asella in Zentraläthiopien. Westliche Ausländer haben hier Seltenheitswert. Seit 2013 sind jeweils zwei deutsche Ärzte im Hirsch Institut auf dem Campus des Asella Teaching and Referral Hospitals tätig. Vor COVID beschäftigten wir uns in unserem kleinen, klinischen Forschungslabor mit nosokomialen Infektionen, Sepsis und AMR. Mittlerweile haben wir uns mit unseren beschränkten Mitteln in ein diagnostisches Monster verwandelt und zahlreiche Evolutionsstufen hin zu einem professionalisierten klinischen Routinelabor übersprungen. Besucher würden es nicht wiedererkennen! Unser Supply speist sich im Wesentlichen aus den nationalen Quellen, hin- und wieder bekommen wir Unterstützung aus unserer Heimatuniversität in Düsseldorf. Die Zusammenarbeit mit den Gesundheitsbehörden, der Universität und den Klinikern funktioniert sehr gut. Seit dem ersten Fall am 13. März konnten in Äthiopien bislang 52,131 Infektionen nachgewiesen werden, 809 Patienten sind verstorben. Die Behandlung findet ausschließlich in speziell umfunktionierten Health Centers und Krankenhäusern statt, zudem werden Hotels als Quarantänestationen genutzt. Da es wie vielerorts in Afrika viele asymptomatische Infektionen und wenig schwere Verläufe gibt, stellt sich stets die Frage: Bleibt die Lage aufgrund der Altersstruktur so glimpflich, oder kommt da noch was? Setzen wir unsere Mittel angesichts der vielfältigen Aufgaben richtig ein? Wie hoch werden die Kollateralschäden der Pandemie sein?

Marlen Schneider und Yannik Eggers, Hirsch-Institut für Tropenmedizin, Asella, Äthiopien