Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e.V.
Deutsche Gesellschaft für
Tropenmedizin, Reisemedizin
und Globale Gesundheit e.V.
 
Drucken Print

Die Frühsommer-Meningoenzephalitis, FSME, wird durch ein Flavivirus verursacht, das durch Zeckenstiche übertragen wird. Anders als der deutsche Name der Infektion nahelegt, reicht die Hauptübertragungssaison hierzulande von März bis November mit einem Gipfel der Erkrankungszahlen im Juni [46].

Das Virus hat sein natürliches Reservoir in zahlreichen Wildtieren. Menschen sind Fehlwirte. Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung kommt nicht vor. Sehr selten wird die Infektion auch durch virusinfizierte Rohmilchprodukte übertragen. Es gibt einen europäischen, einen sibirischen und einen fernöstlichen Virussubtyp. Die in Deutschland verfügbaren Impfstoffe schützen gegen alle 3 Subtypen.

Im angelsächsischen Sprachraum bezeichnet man Erkrankungen, die durch einen der 3 Virussubtypen verursacht werden, als „tick-borne encephalitis“ (TBE). Der Begriff „FSME“ bezeichnet nur Infektionen mit dem europäischen Subtyp.

In Europa werden aktuell die meisten Fälle aus Russland, Tschechien, den Baltischen Staaten und Slowenien gemeldet [47].

70–95 % der Infektionen verlaufen asymptomatisch. Das Risiko einer klinisch manifesten Erkrankung nimmt jedoch mit dem Alter zu. Der typische Verlauf einer FSME-Erkrankung ist biphasisch, wie bei vielen anderen Flavivirusinfektionen auch: Auf unspezifische, grippeähnliche Beschwerden folgen nach kurzem symptomfreiem Intervall bei einem gewissen Teil der Infizierten spezifische neurologische Manifestationen (Meningitis, Enzephalitis, (Radikulo-)Myelitis). Eine spezifische Therapie existiert nicht.

Indikation

Aufenthalte mit Zeckenexposition in Übertragungsgebieten in Deutschland, anderen Gebieten Europas (▶Abb. 7) und Asiens.

------------

▶Abb. 7          Fälle von bestätigter FSME pro 100 000, Europa 2020 [47].

© European Centre for Disease Prevention and Control, 2022

------------

Impfstoffe

In Deutschland sind 2 Impfstoffe gegen FSME zugelassen, die sich in ihrem Impfschema leicht unterscheiden (▶Tab. 5, 6). Für beide existiert ein eigener Impfstoff für Kinder (unterschiedliches Zulassungsalter beachten). Die FSME-Impfstoffe sind inaktivierte, adsorbierte Ganzvirusimpfstoffe, die auf Hühnerfibroblastenkulturen bzw. Hühnerembryonalzellen hergestellt werden. Die Grundimmunisierung sollte nach Möglichkeit mit dem gleichen Impfstoff durchgeführt werden. Bei Auffrischimpfungen oder bei Impfstoffengpässen können die beiden Impfstoffe ausgetauscht werden [48].

▶Tab. 5           Impfschemata zur FSME-Impfung mit FSME-IMMUN 0,5ml Erwachsene bzw. FSME-IMMUN 0,25ml Junior1.

 

Konventionelles Schema

Schnellschema

Grundimmunisierung

Erste Impfdosis

Tag 0

Tag 0

Zweite Impfdosis

1–3 Monate nach erster Impfung

Tag 14

Dritte Impfdosis

5–12 Monate nach zweiter Impfung

5–12 Monate nach zweiter Impfung

Auffrischimpfung

Erste Auffrischimpfung

Nach 3 Jahren empfohlen

Nach 3 Jahren empfohlen

Alle weiteren Auffrischungen:

·       Alter ab 1–59 Jahre

·       Alter ab 60 Jahre

·       Alle 5 Jahre

·       Alle 3 Jahre

·       Alle 5 Jahre

·       Alle 3 Jahre

1 Kinderimpfstoff FSME IMMUN 0,25 ml Junior von 1–15 Jahren zugelassen

▶Tab. 6           Impfschemata zur FSME-Impfung mit Encepur Erwachsene bzw. Encepur Kinder1.

 

Konventionelles Schema

Schnellschema

Grundimmunisierung

Erste Impfdosis

Tag 0

Tag 0

Zweite Impfdosis

14 Tage bis 3 Monate nach erster Impfung

Tag 7

Dritte Impfdosis

9–12 Monate nach zweiter Impfung

Tag 21

Auffrischimpfung

Erste Auffrischung

Nach 3 Jahren empfohlen

Nach 12–18 Monaten empfohlen

Alle weiteren Auffrischungen:

·       Alter ab 1–49 Jahre

·       Alter ab 50 Jahre

·       Alle 5 Jahre

·       Alle 3 Jahre

·       Alle 5 Jahre

·       Alle 3 Jahre

1 Kinderimpfstoff Encepur Kinder von 1–11 Jahren zugelassen

Applikation

Siehe ▶Tabellen 5 und 6.

Wirksamkeit

Die Wirksamkeit ist bei regelrecht durchgeführter Impfung sehr gut (> 95 %) [49].

Beginn frühestens ca. 2 Wochen nach der zweiten Teilimpfung, Dauer nach vollständiger Grundimmunisierung mindestens 3–5 Jahre (▶Tab. 5, 6). Bei Immundefizienz ist der Impferfolg nicht sicher; eventuell Antikörperkontrolle 1–2 Monate nach der zweiten Teilimpfung, bei Schnellimmunisierung nach der dritten Teilimpfung, ggfs. zusätzliche Impfung.

Eine postexpositionelle Erstimpfung unmittelbar nach Zeckenstich wird nicht empfohlen.

Auffrischimpfungen

Die Empfehlungen für die Grundimmunisierung und Auffrischimpfungen variieren je nach Impfstoffhersteller (▶Tab. 5, 6). Das Schnellimpfschema für Kinder und Erwachsene sollte nur dann zur Anwendung kommen, wenn das Standardimpfschema zeitlich nicht mehr möglich ist. Ob die Intervalle zur Auffrischimpfung nach erfolgter Grundimmunisierung auf bis zu 10 Jahre verlängert werden können, ist gegenwärtig Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion [50–52].

Spezielle Kontraindikationen

Die anamnestische Angabe einer Hühnereiweißallergie, beruhend z. B. auf einer Hauttestung, stellt keine Kontraindikation für eine Impfung gegen FSME dar, weil der Impfstoff allenfalls Spuren enthält, die nicht von medizinischer Relevanz sind [53, 54]. In den sehr seltenen Fällen einer schweren allergischen Reaktion auf den Verzehr von Hühnereiweiß sollte die Impfung unter Überwachung und erhöhter Notfallbereitschaft erfolgen. Laut einem Hersteller ist die „Impfindikation bei bestehenden zerebralen Erkrankungen wie aktiven demyelinisierenden Erkrankungen oder schwer einstellbarer Epilepsie“ besonders sorgfältig zu stellen.

Spezielle Nebenwirkungen

Bei Kleinkindern < 3 Jahren treten gehäuft Fieberreaktionen auf, insbesondere nach der ersten Teilimpfung. Bei Kindern mit Fieberkrämpfen in der Anamnese oder hohem Fieber nach Impfung sollte eine fiebervermeidende Prophylaxe oder Behandlung in Betracht gezogen werden.